Katharina Hacker, Die Erdbeeren von Antons Mutter

Demenz erzählen
Vom Wachsen und Vergehen in Katharina Hackers Erzählung „Die Erdbeeren von Antons Mutter“

hackerSpätestens seit der Erkrankung prominenter Urgesteine wie Rudi Assauer oder Walter Jens sind Demenz und Alzheimer im kollektiven Bewusstsein unserer Gesellschaft präsenter denn je. Bezeichnungen wie „neue Volkskrankheit“ und „Krankheit des 21. Jahrhunderts“ umschreiben die unleugbare Präsenz dieser unberechenbaren Krankheit des schleichenden Vergessens. Ratgeber und Erfahrungsberichte, Kinderbücher, Comics, Prosa, Lyrik, … – in all diesen Gattungsformen ist das Thema Demenz/Alzheimer auch in der Welt der deutschen Gegenwartsliteratur bereits angekommen. All diese Textformen versuchen, die mysteriöse Krankheit Alzheimer/Demenz in ihrer Komplexität greifbar zu machen, sei es in Bezug auf die Erkrankung selbst, das Erleben der Erkrankten oder die Erfahrungen der Angehörigen.

buchpreisAuch Katharina Hacker, Gewinnerin des deutschen Buchpreises 2006 mit ihrem Roman „Die Habenichtse“ und eine der wichtigsten Erzählerinnen und Lyrikerinnen (u.a. „Überlandleitung“, 2014) der deutschen Gegenwartsliteratur, reiht sich mit ihrem kurzen Roman „Die Erdbeeren von Antons Mutter“ neben Autoren wie Annette Pehnt („Haus der Schildkröten“) oder Arno Geiger („Der alte König in seinem Exil“) in diese im Entstehen begriffene deutsche Alzheimer/Demenz-Literaturtradition ein. Erschienen im Jahr 2010, ein Jahr später ins Französische übersetzt, ist diese kompakte Erzählung 2014 aktueller denn je, sollen doch zurzeit weltweit bis zu 44 Millionen Menschen dement sein, mit Aussicht auf Verdreifachung der Zahlen in den nächsten 50 Jahren.

geiger pehnt

Die Geschichte beginnt in der niedersächsischen Provinz, auf dem Acker der Familie Weber. Auf diesem Acker pflanzt Hilde Weber jedes Jahr ihre Erdbeeren an, die sie zu Marmelade einkocht, um sie ihrem Sohn Anton und seinen Freunden nach Berlin zu senden. Doch dieses Jahr hat Hilde das Anpflanzen vergessen. Was zunächst eher unbedeutend scheint – dann müssen Anton und seine Freunde eben dieses Jahr Erdbeermarmelade im Supermarkt um die Ecke kaufen – ist für Hilde, aber auch für Anton schwer zu verkraften. Um die Mutter glauben zu lassen, „daß es nicht zu spät ist. Daß sie es nicht vergessen hat“, simuliert Anton die Familientradition, indem er vom Gärtner Helmer bereits tragende Erdbeersträucher wieder einpflanzen lässt. Doch was anfangs zu fruchten scheint -  die Erdbeeren wachsen tatsächlich zu reifen Früchten heran -, wird am Ende des Romans zum Opfer der Fäule. Ein sinnflutartig beschriebener Schneckenbefall, der „Bote[] einer verdorbenen Welt“, macht die Erdbeeren ungenießbar. Durch Hackers sensible und präzise Darstellung des Wachsens und Verderbens treten die Erdbeeren nicht nur als Symbol der Alzheimererkrankung der Mutter hervor, sondern verkörpern vielmehr den Verlauf allen Lebens. Wie ein im wahrsten Sinne des Wortes roter Faden durchziehen sie die Handlung, indem sie für alles Gewonnene und Vertraute und zugleich für alles Verlorene und Fremde stehen.

In Hackers Erzählung geht es also um mehr als nur um die Krankheit Alzheimer/Demenz. Wie schon in dem Vorgängerroman „Alix, Anton und die anderen“ steht auch in „Die Erdbeeren von Antons Mutter“ dieselbe Berliner Mitte-40er Generation im Vordergrund, diesmal mit Anton, einem Arzt aus Kreuzberg, als Protagonisten. Anton ist 43 Jahre alt, kinderlos und nicht verheiratet. Seit kurzem lebt er in einer distanzierten, doch ernsten Beziehung mit Lydia, ebenfalls Mitte vierzig und Mutter der kleinen Rachel. Seine beiden Eltern leiden an einer „rasch progredierende[n] Form frühseniler Demenz“ (46), doch es ist vor allem die Krankheit seiner Mutter, die Anton immer wieder in die Landschaft seiner Kindheit zieht. Dort, wo er einst Zuhause war, muss er zusehen, wie seine Mutter ihm zunehmend entgleitet: Das sonst so sanfte Gesicht seiner Mutter scheint für Anton in zwei Hälften geteilt und wird in Momenten der Verwirrung zum „Gesicht eines Mannes, herb und unzugänglich“. Auch Hilde Webers Lachen, das stets „laut und vergnügt und ein bißchen verrückt“ (88) gewesen war, scheint nur noch in der weiten Ferne der Erinnerung zu erklingen. Neben diesen Veränderungen der Mutter beschreibt Hacker parallel verlaufende Veränderungen in Antons Persönlichkeit. Diese Veränderungen hängen eng mit der Alzheimererkrankung seiner Mutter zusammen, die für Anton zum direkten Auslöser einer Auseinandersetzung mit seiner eigenen Existenz und der eigenen Vergänglichkeit wird. So wird er sich unter anderem dessen bewusst, dass er mit dem schleichenden Verlust seiner Mutter auch seine Rolle als Sohn verliert: „er würde, dachte er, sie auch nicht mehr sagen hören, was so lange der Grund seines Lebens gewesen war, das ist mein Sohn, und mehr noch: das ist mein Kind“.

Doch damit nicht genug. Neben all diesen schwerwiegenden Veränderungen wird Anton außerdem von der dunklen Vergangenheit seiner Freundin Lydia heimgesucht, verkörpert durch Rüdiger, Lydias Ex-Freund und Vater ihrer Tochter, und Martin, dessen Wegbegleiter aus der Fremdenlegion. Schattenartig dringt vor allem Martin in das Leben des Paares ein. Wie ein böser Geist verfolgt er Anton bis in die Provinz und tritt sogar in Kontakt zu Antons Mutter Hilde. Während der Leser zunächst keine klare Verbindung zwischen diesem thrillerartigen Handlungsstrang und dem Thema der Alzheimererkrankung sieht, wird im Laufe der Handlung immer klarer, was die beiden miteinander verbindet: das Vergessen. Wie Anton und seine Mutter sind auch Rüdiger und Martin vom Vergessen geprägt. Doch während Hilde nicht anders kann als zu vergessen und Anton nicht vergessen will, sehnen sich Rüdiger und vor allem Martin so sehr danach, die traumatischen Erfahrungen der Fremdenlegion aus ihrem Gedächtnis auszulöschen. Dass ausgerechnet Martin, ein unscheinbarer doch unheimlich wirkender Mann, in Hilde Weber verdrängte Erinnerungen an eine vergangene Liebe weckt, ist ein weiterer ausgeklügelter Schachzug Hackers, der ihr literarisches Talent für feinfühlig konzipierte Plots und überraschende Wendungen unter Beweis stellt.

All dies zeigt: Hackers „Die Erdbeeren von Antons Mutter“ ist eine in vielerlei Hinsicht komplexe Erzählung und in ihrer Kombination aus Generationsporträt, Familien- und Liebesgeschichte, Thriller und Krankheitsbericht aus mehr als nur einem Grund der Lektüre wert. Mit ihrer präzisen und eindringlichen  Sprache, mit dem Ineinander unterschiedlichster Perspektiven und Schicksale, der interessanten Symbolik und der Zusammenführung zahlreicher Handlungsstränge erscheinen alle Aspekte in dieser Erzählung miteinander verwoben und verwachsen. Sie kann somit als Beispiel dafür dienen, dass mit Alzheimer/Demenz in der aktuellen Literatur nicht nur auf der thematischen, sondern auch auf der formalen Textebene experimentiert wird. Und auch wenn die Erdbeeren aus ihrem Roman nicht geerntet werden konnten, so ist Hacker mit ihrer Geschichte doch zweifellos ein fruchtbares Stück Literatur gelungen, das in Zukunft hoffentlich noch viele Früchte tragen wird.

Écrire sur la démence – la croissance et l’oubli dans le roman de Katharina Hackers Les fraises de la mère d’Anton

Depuis que des figures publiques comme Rudi Assauer1 ou Walter Jens2 en sont atteintes, la démence et la maladie d’Alzheimer sont de plus en plus présentes dans l’inconscient collectif. Le fait que l’on parle de « la nouvelle épidémie » ou de « la maladie du 21e siècle », démontre combien ces déconcertantes pathologies de la mémoire font partie de notre quotidien. Que ce soit dans des guides pratiques, des témoignages, des livres pour enfants, des bandes dessinées, des romans ou encore de la poésie, les thèmes de la démence et de la maladie d’Alzheimer ont largement été abordés dans la littérature germanophone contemporaine. Tous ces textes tentent de rendre tangible la complexité de cette atteinte mystérieuse qu’est la démence, tant au niveau de la maladie elle-même que de la vie des patients, ou encore des expériences des proches des malades.

demunisC’est ainsi que Katharina Hacker, lauréate du Prix du livre allemand en 2006  avec son roman Démunis (Die Habenichtse), et l’une des plus importantes figures de la littérature de langue allemande contemporaine, tant en prose qu’en poésie (citons entre autres  Überlandleitung  de 2014), rejoint avec sa nouvelle Les fraises de la mère d’Anton (Die Erdbeeren von Antons Mutter) les rangs d’autres écrivains qui se sont emparés de ces thèmes, tels que Annette Pehnt (Haus der Schildkröten) ou bien encore Arno Geiger (Der alte König in seinem Exil) . Son roman, paru en 2010 et traduit en français dès 2011, reste plus que jamais d’actualité en 2014, puisque l’on estime aujourd’hui à 44 millions le nombre de personnes atteintes de démence et que l’on s’attend à ce que ce chiffre soit multiplié par trois au cours des cinquante prochaines années.

L’histoire commence dans la province de Basse-Saxe, dans le jardin de la famille Weber. C’est là que, chaque année, Hilde Weber plante des fraisiers, pour ensuite transformer les fruits en confiture qu’elle offre à son fils et à ses amis qui vivent à Berlin. Cette année-là, Hilde a oublié de planter ses fraisiers. Ce fait, qui pourrait au premier abord paraître insignifiant — après tout, Anton et ses amis n’auront qu’à acheter leur confiture de fraises au supermarché cette année — se révèle difficile à supporter, non seulement pour Hilde, mais aussi pour Anton. Pour faire croire à sa mère « qu’il n’est pas trop tard et qu’elle n’a pas oublié » Anton fait semblant de respecter la tradition familiale, et laisse Helmer, le jardinier, replanter des fraisiers déjà en fleurs. Une manœuvre qui semble porter ses fruits au début — les fraises mûrissent bien —mais les fruits se révèleront immangeables à la fin du roman. Une invasion de limaces de proportions diluviennes, les « messagers d’un monde avarié », vient en effet ruiner la récolte. À travers ses descriptions précises et pleines de sensibilité de la croissance et de la détérioration des fraises, Hacker transforme celles-ci, non seulement en un symbole de la maladie d’Alzheimer de Hilde mais surtout, de manière plus générale, du cours de la vie. Les fraises servent, au sens premier du mot, de fil rouge aux évènements, en représentant à la fois tout ce qui est familier et rassurant et tout ce qui est perdu et étranger.

fraisesLe récit d’Hacker est loin de se limiter au thème de la démence. Tout comme dans le roman précédent, Alix, Anton und die anderen, c’est la même génération de quadragénaires berlinois qui se retrouve au centre de l’attention, et Anton, un médecin de Kreuzberg, est cette fois le protagoniste. Anton a quarante-trois ans, n’a pas d’enfants et n’est pas marié. Il entretient depuis peu une relation à distance, mais sérieuse, avec Lydia, âgée d’une quarantaine d’années et mère de la petite Rachel. Les deux parents d’Anton souffrent d’une « démence précoce et progressive d’évolution rapide», mais c’est surtout la maladie de sa mère qui le ramène constamment dans sa maison d’enfance. Là-bas, il doit constater que sa mère lui échappe de plus en plus ; son visage autrefois si doux lui semble maintenant comme partagé en deux et, lors des périodes d’égarement se transforme en un visage « d’homme, sévère et impénétrable. » Le rire d’Hilde, qui avait toujours été « sonore, gai et un peu fou » n’est plus que l’ombre de ce qu’il était. À côté des changements chez Hilde, Hacker décrit aussi les changements progressifs de la personnalité d’Anton. Ces changements sont liés de près à la maladie d’Alzheimer de Hilde, qui l’amène à réfléchir sur sa propre existence et sur le caractère éphémère de nos vies. Il prend notamment conscience qu’à travers cette perte insidieuse de sa mère, c’est aussi son rôle de fils qu’il est en train de perdre : « Il ne l’entendrait plus dire, alors que cela avait longtemps été le fondement de son existence “C’est mon fils” ou encore “C’est mon enfant”. »

Mais ce n’est pas tout. En plus de tous ces lourds changements, Anton va être affecté par le funeste passé de sa compagne Lydia, sous la forme de son ex-petit ami et père de sa fille, Rüdiger et du compagnon de celui-ci, Martin, tous deux membres de la Légion Étrangère. Tel une ombre, c’est principalement Martin qui envahit la vie du couple. Comme un esprit malfaisant, il suit Anton jusqu’à la campagne et entre même en contact avec Hilde. Alors qu’au départ le lecteur ne perçoit pas le lien entre cette partie du récit riche en tensions et le thème de la maladie d’Alzheimer, ce qui les lie se révèle au fil du récit : c’est l’oubli. Tout comme Anton et sa mère, Rüdiger et Martin en sont marqués. Mais tandis que Hilde n’a d’autre alternative que d’oublier et qu’Anton, lui, refuse d’oublier, Rüdiger, et plus encore Martin, souhaitent ardemment laisser derrière eux la mémoire des expériences traumatiques de la Légion Étrangère. Un coup de maître de Hacker est que Martin, un personnage falot mais qui dégage une impression sinistre, réveille en Hilde les souvenirs refoulés d’un amour passé, démontrant ainsi son talent pour les intrigues raffinées et pleines de rebondissements inattendus.

Tout ceci montre que Les fraises de la mère d’Anton est un récit complexe à plusieurs points de vue, et le portrait de générations, l’histoire de famille, l’histoire d’amour, le roman à suspense et le compte rendu de maladie qui se combinent en son sein sont comme autant de raisons de le lire. Grâce à son style précis et intense et via l’imbrication des différentes perspectives et destins, de la symbolique intéressante et de la poursuite de nombreux fils d’intrigue, tous les aspects de cette nouvelle semblent être liés et se rejoindre. Hacker montre ainsi que dans la littérature actuelle on peut expérimenter à propos du thème de la démence et de la maladie d’Alzheimer, tant au niveau thématique qu’au niveau de la forme. Et même si les fraises de l’histoire n’ont pas pu être récoltées, ce récit d’Hacker est très certainement un fruit à cueillir et on ne peut qu’espérer qu’elle en portera encore bien d’autres.

 



1 Rudi Assauer est un ancien joueur et manager de football allemand. En 2012, alors âgé de 67 ans, Il a confirmé souffrir de la maladie d’Alzheimer . Il fait encore l’objet d’attention de la part des médias.
2 Walter Jens était un académique et un écrivain allemand. La révélation de sa démence par son fils en 2004 fit l’objet de débats. Tilman Jens, son fils a publié deux ouvrages sur son père et sa maladie. Walter Jens est décédé en 2013.

 

 

crayongris2Sofia Hammes est étudiante en 2e Master en Langues et littératures modernes, finalité approfondie. Son travail de fin d'études porte sur la démence dans la littérature allemande contemporaine.

 

crayongris2Traduction :  Catherine Deflandre, étudiante en 2e Master en Langues et littératures modernes, orientation germaniques, finalité de traduction