Geschichte vom Fuchs der den Verstand verlor, Martin Baltscheit

Demenz im Bilderbuch ?

Martin Baltscheits Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor

Ich hasse Problemfilme, ich hasse auch Problemtheaterstücke und vor allem hasse ich Problembücher. Wie wurden wir in der Schule gequält mit den Geschichten drogensüchtiger Jugendlicher, die den „Ausstieg verpasst“ hatten, und Kindern aus prekären Verhältnissen, die nur noch „Rolltreppe abwärts“ fuhren! Was hat man uns zum Guten führen wollen mit den Schicksalen tapferer Mädchen, die trotz körperlicher Behinderung ihren Weg machten, und zehnjährigen Jungs, die dem eigenen Krebstod in bewunderungswürdiger Furchtlosigkeit entgegensahen! Die traumatischen Erlebnisse im Deutschunterricht haben bei mir eine generelle Skepsis gegenüber einer Literatur genährt, die sich immer auf das gerade am heißesten diskutierte Thema draufsetzt: Alkoholismus und Drogensucht in den 70ern, Scheidungselend in den 80ern, Integration und Anderssein in den 90ern, Hartz IV und Demenz heute. Nicht, dass das Problem der Demenz mich nicht interessierte! Aber muss ich wirklich all die Demenz-Schicksalsromane lesen, die Jahr für Jahr erscheinen? Nein! Literatur interessiert mich nur dann, wenn für ein Thema eine Form gefunden wird, die genau diesem Thema entspricht, die dieses Thema „umsetzt“. Und das ist leider selten der Fall.

fuchs2Doch was das so aktuelle Thema „Altersdemenz“ angeht, so kann ich als bekennende Problembücher-Hasserin ein Buch mit Nachdruck empfehlen, das in den Buchhandlungen in der Kinderbuchabteilung zu finden ist, das aber mit Fug und Recht ebenso in der Erwachsenenabteilung stehen könnte: Martins Baltscheits Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor, die auch in französischer Sprache vorliegt (Histoire du renard qui n’avait plus toute sa tête, empfohlen ab 5 Jahren). Ein Buch, indem Text, Bild und Typographie so ineinandergreifen, dass das „schwere“ Thema der Demenz ganz leicht daherkommt - und doch keineswegs leichtfertig.

Martin Baltscheit, geboren 1965 in Essen, ist Autor, Zeichner und Sprecher, ein vielseitig begabter Künstler also, der es versteht, seine verschiedenen Talente zum gegenseitigen Nutzen zusammenzuführen. Seine Kinderbücher sind in Deutschland längst keine Geheimtipps mehr, die Geschichte vom Löwen, der nicht lesen konnte hat sich zum Klassiker entwickelt, der jedes Jahr zum Schulanfang tausendfach verkauft wird und bereits 2008 ins Französische übersetzt wurde (L’histoire du Lion qui ne savait pas écrire, éd. P’tit Glenat, Illustrationen von Marc Boutavant). Baltscheit hat für seine Bücher zahlreiche Auszeichnungen bekommen und war bereits als „Bester deutscher Comiczeichner“ nominiert. Für das hier vorgestellte Buch gewann er 2011 völlig zu Recht den wichtigsten Preis im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur: den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie Bilderbuch. Im Mittelpunkt steht ein „kluger, hübscher Fuchs“, der „alles weiß, was ein Fuchs so wissen muss“: wie man den Geißen Fallen stellt, wie man den „zarten Hasen“ Gruben gräbt, wie man „aus Hühnern Braten macht“, und vor allem, wie man den Hunden des Jägers mithilfe eines Strohhalms entkommt. Seine Tricks verrät er wohlwollend den jungen Füchsen. „Wer alles weiß, kann lange leben“, lautet seine Überzeugung.

Und tatsächlich: er lebt lange und wird alt. Und ein bisschen vergesslich. Zuerst bringt er die Wochentage durcheinander, dann vergisst er Geburtstage oder kommt mit einem Geschenk, wenn gar keiner Geburtstag hat. „Alles in allem war das für den Fuchs aber kein Problem.“ Doch seine Welt verändert sich immer weiter. Irgendwann vergisst er, wo sein Zuhause ist und setzt sich ins Amselnest im Baum, oder er vergisst mitten bei der Jagd  - das Jagen. Wenn er Hunger hat, weiß er nicht mehr, was er dagegen tun soll, und träumt wildes Zeug, ja am Ende vergisst er schließlich, dass er ein Fuchs ist. Und als die furchterregenden Hunde der Jäger kommen, sieht er Schnauzen, Zungen und Augen und hört ihre Rufe „Der Fuchs ist rot, der Fuchs ist tot!“ – Doch wer ist der Fuchs?

Zum Glück kann der Fuchs der Meute ein letztes Mal entwischen, und die jungen Füchse heilen seine Wunden. „Nur seinen Verstand, den heilten sie nicht, denn den hatte der Fuchs verloren und keiner wusste genau wo...“ Für die Gänse ist das natürlich eine helle Freude, und die Hühner machen sich einen Spaß daraus, ihn an der Nase herumzuführen. Der Fuchs kann sich nicht wehren, doch warum auch? Er vergisst, dass er sich wehren wollte und geht zum Fluss, zu dem „freundlichen Fremden“, mit dem er sich am liebsten unterhält. Wer das ist? Na der, der ihm aus dem Wasser entgegenblickt. Am Ende weiß der Fuchs nichts mehr, er fühlt nur noch - er fühlt, wenn er keinen Hunger hat, er fühlt, wenn jemand bei ihm ist. Er ist nicht gern allein, aber er muss es auch nicht, denn, so zeigt es die letzte Illustration, er ist in den Bildern der anderen in seinem Kopf geborgen wie im Bauch einer Mutter.

Martin Baltscheit erzählt knapp und unsentimental. Die Illustrationen verdoppeln den Text nicht, sie ergänzen ihn und setzen das ins Bild, was mit Worten nicht gesagt werden kann. So wird die Grenze zum Kitsch nie überschritten. Das Thema ist gewichtig, doch die Sprache ist leicht und ähnelt manchmal ein wenig dem lapidar-ironischen Ton von Janosch, dem populärsten deutschen Kinderbuchautor und –illustrator der letzten Jahrzehnte. Baltscheits Illustrationskunst hat mit Janosch allerdings rein gar nichts gemein, sie ist sehr grafisch, fast scherenschnittartig und kommt mit minimalen zeichnerischen Mitteln aus. Schön, dass auch die Typographie in die Gesamtgestaltung einbezogen wurde, besonders eindrucksvoll in der Szene, als der Fuchs von der Meute der Hunde bedroht wird.

Ein ergreifendes Buch über den schleichenden Verlust der Kraft des Denkens. Und ein Buch, dass kleine Kinder ernst nimmt: nicht nur in ihrem Wunsch zu wissen, was denn da eigentlich geschieht, wenn Oma oder Opa plötzlich seltsam werden - auch in ihrem Recht auf ästhetisch anspruchsvolle Bücher jenseits von Tendenzliteratur und Betroffenheitskitsch.

Vera Viehöver
Mai 2013

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Vera Viehöver étudie la littérature allemande du 18e siècle et contemporaine, et la littérature judéo-allemande.

 


 

Martin Baltscheit: Die Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor. Berlin: Bloomsbury 2010

Auf der Website des Autors (www.baltscheit.de) ist das Buch als Film abrufbar, gelesen vom Autor
Französisch: L’histoire du renard qui n’avait plus toute sa tête. Voisins-le-Bretonneux: Editions rue du monde 2011 (coll. ricochet-jeunes).
erscheint in der Kolumne MIXED ZONE (No. 2, mai 2013): www.culture.ulg.ac.be

La démence dans les albums pour enfants ?

L’Histoire du renard qui n’avait plus toute sa tête de Martin Baltscheit

Je déteste les drames sociaux, que ce soit dans les films, dans les pièces de théâtre ou dans les livres – surtout dans les livres. Qu’est-ce qu’on a pu nous harceler à l’école avec toutes ces histoires ! Celles de ces jeunes qui découvrent « l’Herbe bleue » ou encore celles de ces enfants issus de milieux précaires qui passent du vol d’un œuf au vol de bœuf. Avec quel acharnement on s’est efforcé de nous montrer le droit chemin avec le destin de ces jeunes filles courageuses qui, malgré leur handicap, réussissent à avancer ou encore le récit de ce garçon de 10 ans, malade d’un cancer, qui attend la mort avec une intrépidité admirable ! Ces expériences de lectures traumatisantes imposées par le programme scolaire n’ont fait que nourrir mon scepticisme envers un genre littéraire qui s’inspire toujours des sujets actuels les plus brûlants : alcoolisme et toxicomanie dans les années 70, divorce dans les années 80, intégration et rapport à l’autre dans les années 90 et, finalement, réforme des allocations de chômage et démence aujourd’hui. Ce n’est pas que la démence ne m’intéresse pas, au contraire ! Cependant, dois-je vraiment lire tous les romans abordant ce thème, publiés inlassablement chaque année ? Bien sûr que non ! Je m’intéresse à la littérature uniquement si, pour un sujet précis, on trouve une manière de l’aborder qui lui corresponde parfaitement, qui le « traduise ». Malheureusement, c’est rarement le cas.

renard2Pourtant, en ce qui concerne la « démence sénile », je peux vous recommander un livre du rayon albums pour enfants qui pourrait tout aussi bien trouver sa place dans le rayon adulte : L’Histoire du renard qui n’avait plus toute sa tête de Martin Baltscheit (titre original Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor, à partir de 5 ans). Dans ce livre, texte, images et typographie s’entremêlent de telle sorte que le sujet sensible de la démence est abordé en toute simplicité, sans pour autant être pris à la légère.

Martin Baltscheit, né à Essen en 1965, est auteur, illustrateur et donneur de voix : un artiste aux talents multiples qu’il combine à merveille. En Allemagne, ses albums pour enfants sont célèbres depuis longtemps. Ainsi, L’Histoire du Lion qui ne savait pas écrire est devenu un classique et se vend à des milliers d’exemplaires à chaque rentrée scolaire (Geschichte vom Löwen, der nicht lesen konnte, paru en français aux éditions P’tit Glenat en 2008 et illustré par Marc Boutavant). M. Baltscheit a été récompensé par de nombreux prix et a été désigné « meilleur dessinateur allemand de bande dessinée ». Pour L’Histoire du renard qui n’avait plus toute sa tête, il a reçu en 2011 le prix allemand le plus prestigieux de littérature d’enfance et de jeunesse : le Deutsche Jugendliteraturpreis dans la catégorie albums pour enfants. Au centre de cette histoire, « un beau renard rusé, un renard qui sait tout ce que doit savoir un renard » : comment piéger les chèvres, comment débusquer de délicieux lièvres, comment faire rôtir de bons poulets et, surtout, comment échapper à la meute du chasseur grâce à une paille. Avec bienveillance, il enseigne ses ruses aux jeunes renardeaux. Il en est persuadé : « Qui connaît toutes les ruses, vit longtemps. »

renard3Et en effet, il vit longtemps. Il devient vieux et commence peu à peu à perdre la mémoire. Il se met à mélanger les jours de la semaine, puis il oublie les anniversaires ou offre un cadeau alors qu’il n’y a rien à fêter. « Mais, tout compte fait, ce [n’est] pas un problème pour le renard ». Cependant, son monde continue de changer. Un jour, il oublie où se trouve sa maison et s’assied dans un nid perché sur un arbre, ou il oublie en pleine chasse qu’il ... chasse. Lorsque la faim le taraude, il ne sait plus ce qu’il doit faire pour l’apaiser et il rêve de choses folles. Il finit  même par oublier qu’il est un renard. Lorsque les terrifiants chiens de chasse arrivent, il ne voit que des gueules, des langues, des yeux, et il entend leurs aboiements : « renard est tout roux, renard est à nous ». Mais qui est ce renard ?

Par chance, le renard échappe une fois encore à la meute et les jeunes renardeaux pansent ses blessures. « Mais impossible de soigner sa tête, car le renard l’avait perdue et personne ne savait où exactement... ». Bien sûr, pour les oies, c’est une grande joie, et les poules s’amusent à le mener par le bout du nez. Le renard ne peut pas se défendre, et pourquoi d’ailleurs le ferait-il ? Il oublie qu’il veut se défendre et se rend au bord de l’eau voir le « gentil étranger » avec lequel il parle volontiers. Qui est-il ? Eh bien, c’est celui qui lui rend son regard dans le reflet de l’eau. À la fin, le renard ne sait plus rien, il ne fait que ressentir : il sent quand il n’a pas faim, il sent quand quelqu’un se tient à ses côtés. Il n’aime pas être seul, mais rien ne l’y oblige comme nous le montre la dernière illustration : il est au centre de l’image et les renardeaux l’entourent comme s’il était dans le ventre de sa mère.

Le ton de Martin Baltscheit est juste et neutre. Les illustrations ne sont pas une répétition du texte, elles le complètent et transmettent par l’image ce que les mots ne peuvent exprimer. Ainsi, l’auteur ne tombe jamais dans l’excès. Bien que le sujet soit sensible, sa plume est simple et fait parfois penser au ton ironique et cassant de Janosch, célèbre auteur et illustrateur allemand de livres pour enfants du 20e siècle. Néanmoins, les illustrations de Martin Baltscheit n’ont rien à voir avec celles de Janosch : elles sont graphiques, ressemblent presque à des ombres chinoises et sont réalisées avec un minimum de moyens techniques Un autre aspect intéressant du livre est que la typographie s’intègre dans la présentation générale, comme dans la scène particulièrement saisissante où le renard est menacé par une meute de chiens.

Un livre émouvant sur l’insidieuse perte de mémoire. Un livre qui prend les enfants au sérieux : pas seulement parce qu’ils veulent comprendre pourquoi mamie ou papi deviennent soudainement étranges, mais également parce qu'ils ont le droit de lire autre chose qu'une littérature faite de messages démonstratifs et d'excès pathétiques.

Traduit de l’allemand par Évelyne Beaupain et Véronique Mercier
Mai 2013

 

 

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Évelyne Beaupain et Véronique Mercier sont étudiantes en 1re Master en traduction.



 

Martin Baltscheit : L’Histoire du renard qui n’avait plus toute sa tête. Voisins-le-Bretonneux : Éditions Rue du Monde 2011 (coll. Ricochet-Jeunes).
Sur le site allemand de Martin Baltscheit, le livre raconté par l’auteur est disponible sous forme de film.
Version originale allemande : Die Geschichte vom Fuchs der den Verstand verlor. Berlin: Bloomsbury 2010.
Publié dans la chronique mixed zone (no 2 ; mai 2013) : www.culture.ulg.ac.be